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Menschenrechtswoche 2022 – Rückblick

„Ressourcen fallen nicht vom Himmel – Wovon hängen Menschenrechte ab?“ – unter diesem Motto startete die Menschenrechtswoche Tübingen am 19. Juni 2022 in ihre achte Runde. Auf das Thema hatte sich das Orga-Team bereits im Winter 2021 geeinigt, da es in den Augen des Teams eine der wichtigsten Gegenwartsdiagnosen und zu lösende Problematiken klar umriss. In den Diskussionen rund um die Themenfindung ging es zu diesem Zeitpunkt vor allem um knappe endliche Ressourcen, die Klimakrise, Güterknappheiten während der Corona-Pandemie, aber auch immaterielle Güter wie den Zugang zu Bildung oder ein stabiles soziales Netzwerk. Als die Menschenrechtswoche 2022 nur wenige Monate später anlief, mussten wir leider feststellen, dass wir kaum ein aktuelleres Thema hätten wählen können. Lieferengpässe, Gasknappheiten und die damit einhergehenden Konsequenzen machten das Thema der diesjährigen MRW auf eine neue Weise relevant und drängend.

Ziel der Menschenrechtswoche ist es jedoch nicht, Probleme nur zu benennen, sondern vielmehr eine Plattform zu bieten, auf der Lösungswege aufgezeigt und gemeinsam Perspektiven diskutiert werden können. Auch dieses Jahr konnten sich in dem Thema der Woche viele Tübinger Initiativen wiederfinden und ihre individuellen Schwerpunkte und Expertisen einbringen, sodass die Verbindung zwischen Menschenrechten und Ressourcen während der Woche von denkbar vielen Blickwinkeln betrachtet werden konnte.

Dafür begannen das Orga-Team sowie die jeweiligen Initiativen bereits einige Monate im Voraus mit der Vorbereitung – ein solch vielfältiges Programm organisiert sich schließlich nicht an einem Tag. Das Eröffnungsteam plante die Auftaktveranstaltung der Woche, fragte Redner:innen und Schirmherr:innen an und organisierte die Vergabe des Menschenrechtspreises der MRW. Das Initiativenteam stand in Kontakt mit den teilnehmenden Initiativen, die ihre eigenen Veranstaltungen planten und gestaltete das Programm. Das Finanzteam konnte neue Sponsor:innen gewinnen und Fördergelder einwerben und das PR-Team werkelte an Plakaten, Flyern und der Online-Werbung.

Die Woche beginnt!

Am 19. Juni war es dann endlich soweit: Die MRW konnte zum ersten Mal seit 2019 wieder in Präsenz mit einer Eröffnungsfeier im Weltethos-Institut beginnen. Im Institut wartete auf die Gäste nicht nur eine Klimaanlage (bei 35 Grad eine wahre Erleichterung), sondern vor und nach den eigentlichen Feierlichkeiten auch ein Stehempfang mit Getränken und Brezeln sowie eine Ausstellung zum weltweiten Abbau von Rohstoffen und deren Verwendung, die vom INKOTA-netzwerk zur Verfügung gestellt wurde.

Das eigentliche Programm begann mit einer Videobotschaft von Luise Amtsberg, Bundestagsabgeordnete der Grünen und Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe, die 2022 die Schirmherrschaft für die Menschenrechtswoche übernahm. Darauf folgte ein Grußwort der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Tübingen, Luzia Köberlein. Hannah Pilgrim, Koordinatorin des Arbeitskreis Rohstoffe bei PowerShift e.V., lieferte anschließend mit ihrem Vortrag „Regeneration statt Erschöpfung: Rohstoffwende umsetzen“ den ersten thematischen Beitrag zur Menschenrechtswoche 2022 und gab damit wichtige Impulse für die folgenden Veranstaltungen. In ihrer Keynote umriss sie nicht nur das Problem der zunehmenden Ausbeutung von endlichen Ressourcen, sondern zeigte auch auf, dass es für eine erfolgreiche Rohstoffwende hin zu nachhaltigeren Wirtschaftsweisen noch nicht zu spät ist. Die gesamte Auftaktveranstaltung wurde zudem musikalisch unterstützt von dem Streichquartett sFOURzando (Silvia Grießl, Noemi Zimnik, Javier Barja, Emma Schrade).

Im Anschluss daran folgte der zweite große Programmpunkt des Abends: die Verleihung des Tübinger Menschenrechtspreises. Dabei wurden zunächst die beiden Preisträger aus den letzten zwei Jahren, Ruben Malina (2020) und Jochen von Bernstorff (2021) auf die Bühne gebeten, um sie nochmals vor einem großen Publikum zu würdigen. Die Preisverleihungen in den beiden Jahren zuvor konnten aufgrund der pandemischen Lage nur online stattfinden. Der Menschenrechtspreis 2022 ging an die Tübinger Gruppe Black Visions and Voices, die sich gegen Rassismus einsetzt und Betroffenen einen Raum für den Austausch von Erfahrungen und das Erleben von Gemeinschaft bieten möchte. Nominiert waren zudem die Gruppe Polish Women on Strike, die sich für Frauen- und Menschenrechte sowie sichere und legale Abtreibungen in Polen einsetzt, sowie Andreas Linder, der seit drei Jahrzehnten in der Flüchtlingshilfe sehr aktiv ist.

6 Tage, 15 Veranstaltungen, 19 Initiativen – ein buntes Programm

Nach diesem Auftakt gab es in den darauffolgenden Tagen ein buntes Programmangebot mit insgesamt 15 verschiedenen Veranstaltungen, die von insgesamt 19 Initiativen und Tübinger Gruppen organisiert wurden. Die Bandbreite der angebotenen Formate war groß. So gab es zahlreiche Vorträge wie beispielsweise zu „Der grün-schwarze Koalitionsvertrag im Praxistest“ (Asylzentrum Tübingen), „Lieferketten von Smartphones“ (oikos), „Yes EU Can – für ein wirksames Europäisches Lieferkettengesetz“ (Attac, FairStrickt, FIAN), „Menschenrechte und Kryptographie“ (Cryptoparty Tübingen) oder „Stecker ziehen für Unrechtsregime?“ (Liberale Hochschulgruppe). Einige Initiativen boten Workshops an, so unter anderem die Grüne Jugend und Viva con Agua zum Thema „Virtuelles Wasser – Was steckt dahinter?“, die iconet Foundation und die Tübinger Ortsgruppe von Amnesty zu „Facebook/Meta und Menschenrechtsverletzungen“ und ROCK YOUR LIFE! Tübingen zu „Bildung als Ressource“ für Schüler:innen. Die Tübinger Ortsgruppe von Ende Gelände brachte lokale Klima- und Menschenrechtsaktivist:innen mit solchen aus der Westsahara in den Austausch über die globale Zementproduktion (die in einem CO2-Emissionsvergleich mit Ländern weltweit allein den 3. Platz belegen würde!). Außerdem fanden zwei Filmvorführungen statt, die von den Jungen Europäer:innen sowie der Grünen Hochschulgruppe organisiert wurden. Letztere zeigte den Dokumentarfilm „Erde“ über Tief- und Tagebaustätten weltweit. Im Anschluss gab es noch Zeit, sich über die Seheindrücke und Gedanken mit den anderen Teilnehmer:innen auszutauschen. Richtig interaktiv wurde es sowohl bei einem Bingo-Abend von Viva con Agua als auch bei zwei verschiedene Kochaktionen mit geretteten Lebensmitteln. Amnesty, die Grüne Hochschulgruppe, Foodsharing, der Jungen Tafel und die Lebenshilfe veranstalteten eine Küfa (Küche für alle/Essensausgabe) mit geretteten Lebensmitteln. Bei dem Impro-Kochabend von Do-No Trash Tübingen und Foodsharing e.V. hatten die Veranstalter:innen am Vortrag und am Tag der Veranstaltung Lebensmittel gerettet. Aus ihnen zauberten die Teilnehmer:innen im Laufe des Abends dann ein mehrgängiges Menü inklusive einer Nachspeise, von dem am Ende sogar noch Reste mit nach Hause genommen werden konnten. Alle Initiativen und Teilnehmer:innen der jeweiligen Veranstaltungen waren bei der gesamten Woche mit viel Motivation und Engagement dabei – trotz des sonnigen Wetters, das viele Menschen eher ins Grüne oder an den See zog. Ein großes Dankeschön an alle beteiligten Gruppen und Teilnehmer:innen für die schöne Woche!

Ein gebührendes Ende fand die Menschenrechtswoche 2022 mit einem Abschlussfest am Samstagabend, auf dem bei Live-Musik und zu später Stunde bei tiefen Bässen gemeinsam gefeiert werden konnte und die Woche so einen schönen Ausklang fand. Das warme Wetter und die gute Musik sorgten dafür, dass viele Menschen auf dem Weg in die Innenstadt an dem Fest vorbeikamen und spontan mitfeierten.

Danke!

Insgesamt war die Menschenrechtswoche 2022 ein voller Erfolg. Jede einzelne Veranstaltung hat gezeigt, wie viele verschiedene Möglichkeiten es gibt, sich der Verbindung zwischen Menschenrechten und Ressourcen zu nähern und was für vielfältige und kreative Lösungen denkbar sind, um auf eben jene Problematiken zu antworten. Wie jedes Jahr waren wir, das Orga-Team, von dem Einfallsreichtum der Initiativen begeistert. Ohne sie könnte die Woche nicht stattfinden – vielen Dank!